Ankauf für das Jüdische Museum Frankfurt

Veröffentlicht: Neuigkeiten Ort: Frankfurt

ffm. Das Jüdisches Museum Frankfurt erwirbt mit Hilfe des städtischen Ankaufsetats die umfangreiche Sammlung mit Fotografien und Dokumenten von

ffm. Das Jüdisches Museum Frankfurt erwirbt mit Hilfe des städtischen Ankaufsetats die umfangreiche Sammlung mit Fotografien und Dokumenten von Gisèle Freund aus dem Nachlass des Autors, Regisseurs und Medienwissenschaftlers Hans Puttnies.

Bei den insgesamt 32 Archivboxen, die Puttnies persönlich angelegt hat, handelt es sich um die größte Sammlung mit Fotografien und Dokumenten von Gisèle Freund in Deutschland. Die Sammlung umfasst mehr als 1150 Fotografien aus den Jahren 1927 bis 1975, etwa die Hälfte davon Vintage-Prints, die in weiten Teilen noch nicht öffentlich gezeigt wurden. Ferner angekauft wurden bislang unpublizierte Manuskripte, wie etwa das Typoskript zu einem unvollendeten autobiografischen Roman, den Gisèle Freund in den Jahren 1952 bis 1954 in Mexiko verfasste, sowie persönliche Notizen, Adressbücher, Briefe und Dokumente.

„Mit diesem Ankauf ist der Stadt Frankfurt ein Coup gelungen“, sagt Kulturdezernentin Ina Hartwig. „Gisèle Freund ist eine der berühmtesten Fotografinnen des 20. Jahrhunderts. Sie studierte an der Goethe Universität bei Karl Mannheim Soziologie und hielt die Atmosphäre in Frankfurt unmittelbar vor der nationalsozialistischen Machtübernahme fotografisch fest. Nachdem sie als Jüdin und Kommunistin nach Paris fliehen musste, porträtierte sie zeitlebens viele deutsch-jüdische Emigranten wie etwa Walter Benjamin oder Anna Seghers, in späteren Jahren auch bekannte Schriftsteller, Künstler und Politiker wie James Joyce, Frida Kahlo und Charles de Gaulle. Zu den größten Neuheiten in der nun angekauften Sammlung zählen indessen die großen fotografischen Reportagen aus den Jahren ihrer Emigration. Die persönlichen Zeugnisse in der Sammlung ermöglichen es dem Jüdischen Museum nun, die Geschichte zu diesen Fotografien neu zu erschließen und zu erzählen.“

Die Sammlung selbst geht nicht allein auf die Sammlerleidenschaft von Puttnies zurück. Sie spiegelt auch die Beziehung zwischen dem Medienwissenschaftler und der Fotografin wider. Er rezensierte 1969 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung das damals neu erschienene Buch von Gisèle Freund „Photographie und bürgerliche Gesellschaft. Eine kunstsoziologische Studie“. Infolge dieses Artikels lernte er die Fotografin persönlich kennen und befasste sich intensiv mit ihrem Werk.

Zum Ausgangspunkt für die weltweite Wahrnehmung der Fotografin wurde dann Puttnies‘ Artikel „Kein Schnappschuss, keine Pose“, der am 3. April 1975 auf der Titelseite des FAZ-Feuilletons erschien. In den folgenden Jahren half Puttnies Freund, ihren Fotobestand zu strukturieren und war an einigen ihrer wichtigsten Ausstellungen in Frankreich und Deutschland beteiligt. Zur Entlohnung schenkte sie ihm Originalfotografien.

Im Laufe seiner über 20-jährigen Zusammenarbeit mit der Fotografin baute Puttnies eine Sammlung mit Vintage-Prints auf, die er um Abzüge berühmter Werke erweiterte. Über lange Zeit hinweg verfolgte er dabei die Idee, eine Biografie über Freund zu verfassen, die ihm zu diesem Zweck ihre persönlichen Dokumente anvertraute und sich mit dem Gedanken trug, ihn als Nachlassverwalter einzusetzen. Bis zu seinem Tod im Jahr 2020 arbeitete der Medienwissenschaftler an der Sichtung der persönlichen Unterlagen und Fotografien seiner Sammlung und verfasste noch ein Drehbuch für einen Essay-Film über Freund, das aber ebenso wie die Biografie unvollendet blieb.

Das Jüdische Museum hat seit seiner Eröffnung im Jahr 1988 eine umfangreiche Sammlung aufgebaut, die in wesentlichen Teilen auch persönliche Dokumente und Fotografien umfasst, so etwa mehr als 400 Farbdias aus dem Getto in Lodz aus den Jahren 1941 bis 1944. Mit dem Ankauf der Sammlung Freund soll nun ein neuer Sammlungsschwerpunkt im Bereich der historischen Fotografie entstehen, der sich insbesondere mit jüdischen Fotografinnen befasst, die in Frankfurt tätig waren.

„Ich freue mich sehr, dass uns diese herausragende Sammlung mit Fotografien und Dokumenten von Gisèle Freund aus dem Nachlass von Hans Puttnies nicht nur verkauft, sondern die weitere wissenschaftliche Arbeit mit diesen weithin unbekannten Bildern und sehr persönlichen Unterlagen auch anvertraut wurde“, sagt die Direktorin des Jüdischen Museums, Prof. Mirjam Wenzel. „Besonders schön finde ich, dass dieser Ankauf zeitgleich zu unserer Ausstellung ‚Zurück ins Licht. Vier Künstlerinnen – Ihre Werke. Ihre Wege‘ geschieht, die vier heute gemeinhin unbekannte Frauen präsentiert, die zur selben Zeit in Frankfurt gelebt haben wie Gisèle Freund. Mit dem Ankauf der Werke und Zeugnisse von Gisèle Freund stellen wir diesen Künstlerinnen, deren Karrieren im Nationalsozialismus endeten, nun eine Frau zur Seite, die der Verfolgung trotzen und mithilfe ihres Freundes Hans Puttnies später weltweit das Licht der Öffentlichkeit genießen konnte“, fügt Wenzel hinzu.

2019 wurde der Ankaufsetat für die städtischen Museen in Frankfurt durch die Kulturdezernentin eingeführt. Jährlich stehen den städtischen Museen 1,1 Millionen Euro für Ankäufe von Kunstwerken zur Verfügung. Von den Mitteln haben unter anderem das Caricatura Museum Frankfurt, das Museum MMK für Moderne Kunst, und das Weltkulturen Museum bereits Ankäufe getätigt. Kurzbiografien von Freund und Puttnies sind als Anhang beigefügt.

Foto Teilnachlass Gisèle Freund, Copyright: Jüdisches Museum, Foto: Uwe Dettmar 

Download Biografischer Anhang Freund und Puttnies