„Auschwitz und all die anderen Stätten des Todes verpflichten uns alle: ‚Nie wieder ist jetzt‘“

Veröffentlicht: Neuigkeiten Ort: Frankfurt

ffm. Am 27. Januar 1945 befreite die Rote Armee das Konzentrationslager Auschwitz. Seit 1996 ist dieses Datum offizieller Gedenktag in Deutschland.

ffm. Am 27. Januar 1945 befreite die Rote Armee das Konzentrationslager Auschwitz. Seit 1996 ist dieses Datum offizieller Gedenktag in Deutschland. 2005 haben die Vereinten Nationen zur Mahnung an den Holocaust und den Jahrestag der Befreiung diesen Tag zum internationalen Gedenktag erklärt.

Die Stadt Frankfurt hat am Sonntag, 28. Januar, zu einer offiziellen Gedenkveranstaltung in die Paulskirche eingeladen. Da dieses Jahr der 27. Januar auf einen Samstag fällt, wurde aus Rücksicht auf den Schabbat die Gedenkstunde auf den Sonntag verlegt. An der Gedenkveranstaltung nahmen unter anderen Stadtverordnetenvorsteherin Hilime Arslaner, Oberbürgermeister a. D. Andreas Schoeler, Marc Grünbaum, Mitglied des Vorstandes der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, sowie weitere Mitglieder der Jüdischen Gemeinde teil.

Oberbürgermeister Mike Josef, der die Gäste in Namen der Stadt begrüßte, erinnerte daran, welch unvorstellbares Leid in Auschwitz und in all den anderen Stätten des Todes wie Treblinka, Majdanek oder Bergen-Belsen geschehen ist. „Die Soldaten der Roten Armee fanden in Auschwitz etwa 7000 noch lebende Gefangene vor. ‚Nullmenschen aus Haut und Knochen‘, wie eine Überlebende sich und ihre damaligen Leidensgenossen einmal bezeichnet hat. Weil sie nicht mehr marschfähig waren, hatten die SS-Männer sie zum Sterben zurückgelassen“, sagte das Stadtoberhaupt. Er erinnerte daran, dass ein zwölf Jahre altes Mädchen, Eva Diamant, unter den Überlebenden war. Die Frankfurterinnen und Frankfurter kennen sie als Eva Szepesi, die unermüdlich bis heute in Schulen und Kirchengemeinden von ihrem Überleben in Auschwitz erzählt. „Die Stadt Frankfurt kann sich glücklich schätzen, dass Eva Szepesi Frankfurterin ist. Ich möchte Eva Szepesi und ihrer Tochter Anita Schwarz ausdrücklich meinen Dank und den der Stadt Frankfurt aussprechen. Es ist bewundernswert, wie Eva Szepesi in ihrem hohen Alter noch die Kraft aufbringt, Zeugnis zu geben von dem damaligen Menschheitsverbrechen.“

Josef erinnerte auch an Frankfurts Ehrenbürgerin Trude Simonsohn, die den Todesmarsch überlebte. Denn wer noch annährend laufen konnte, wurde vor der anstehenden Befreiung des Lagers zu den berüchtigten Todesmärschen gezwungen – in dünner Kleidung durch Schnee und Kälte getrieben. „Dennoch war sie ohne jeden Hass bei ihren vielen Auftritten als Zeitzeugin in Schulen und Bildungseinrichtungen. ‚Ihr tragt keine Schuld‘, hat sie den jungen Menschen immer gesagt. ‚Aber ihr tragt die Verantwortung dafür, dass so etwas nie wieder geschieht‘. ‚Zu jedem Unrecht sofort NEIN! Sagen‘ war ihr Leitsatz. Damit hat Trude Simonsohn auch uns gemeint: Sie, mich, alle Menschen in Frankfurt und in Deutschland“, sagte Josef.

Von Mai 1940 bis Januar 1945 wurden über eine Million Juden aus einem Dutzend Länder Europas, aber auch 140.000 Polen, 21.000 Sinti und Roma, sowie 40.000 Menschen aus vielen weiteren Nationen ermordet. „Unter den Häftlingen in Ausschwitz gab es die Gruppe, die mit dem ‚Rosa Winkel‘ gebrandmarkt wurde. Wir werden daher heute auch den homosexuellen Opfern des Nationalsozialismus gedenken. Stadtrat Christian Setzepfand wird in seiner Rede darauf eingehen“, sagte das Stadtoberhaupt.

Die Anerkennung der Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen oder geschlechtlichen Identität verfolgt, inhaftiert, verstümmelt und ermordet wurden, kam spät. Das lag auch daran, dass Homosexuelle nach dem Krieg in der Bundesrepublik weiterhin strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt waren. Sie mussten weiter für ihre Rechte und die Entkriminalisierung kämpfen. Umso wichtiger sei es, dass beim Erinnern immer Perspektiven ergänzt würden. Zeitgemäßes Gedenken funktioniere nur, wenn die Auseinandersetzung mit den Verbrechen des Holocaust immer wieder im Heute verortet werden würde: Perspektiven ausloten, mitdenken, die bisher wenig berücksichtigt wurden, betonte Josef.

Die Auseinandersetzung mit den Verbrechen in Auschwitz begann im Dezember 1963 in Frankfurt. Es bedurfte des mutigen hessischen Generalstaatsanwalts Fritz Bauer, der gegen den Widerstand in breiten Teile der Justiz und der Bevölkerung den Frankfurter Auschwitz-Prozess durchgesetzt hatte, um zum einen die Verantwortlichen strafrechtlich zu verfolgen, und zum anderen das Ausmaß des Grauens in Auschwitz und das System dahinter der Öffentlichkeit detailliert aufzuzeigen.

Wir müssten uns eingestehen, dass Menschen aufgrund wahllos ausgewählten Merkmalen nach wie vor verfolgt oder diskriminiert werden und dass sich wieder Rechtsradikale treffen und die Vertreibung und Deportation von Menschen planen: „Das Erinnern am heutigen Tag zeigt uns, welche menschenverachtenden Verbrechen möglich sind, wie schnell sich ein Rechtsstaat in ein autokratisches Regime verwandeln kann“, betonte der Oberbürgermeister.

Deshalb sei es wichtig, Unrecht auch in unserer Zeit klar zu benennen: „Überlebende wie Trude Simonsohn und Eva Szepesi haben uns gezeigt, dass wir mit Mut, Optimismus und Zuversicht vieles bewegen können. Auschwitz und all die anderen Stätten des Todes wie Treblinka, Majdanek, Bergen-Belsen, alle jene Schreckensorte, die auf dem Mahnmal neben der Paulskirche eingraviert sind, verpflichten uns alle: ‚Nie wieder ist jetzt‘.“

Im Anschluss hielt Stadtrat Setzepfandt einen Vortrag mit dem Titel „Die Verfolgung homosexueller Männer und Frauen in Frankfurt“. Musikalisch wurde die Veranstaltung vom Frankfurter homosexuellen Chor „Die Mainsirenen“ begleitet.

Die Gedenkveranstaltung schloss mit der Kranzniederlegung am Mahnmal für die Opfer der NS-Gewaltherrschaft an der Paulskirche.

Fotos Blick in die erste Reihe der Paulskirche während der Gedenkveranstaltung zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, Copyright: Stadt Frankfurt am Main, Foto: Salome Roessler 

Stadtrat Christian Setzepfandt bei seinem Vortrag mit dem Titel „Die Verfolgung homosexueller Männer und Frauen in Frankfurt“, Copyright: Stadt Frankfurt am Main, Foto: Salome Roessler 

Der Chor „Die Mainsirenen“ bei seinem Auftritt in der Paulskirche, Copyright: Stadt Frankfurt am Main, Foto: Salome Roessler 

Oberbürgermeister Josef bei der Kranzniederlegung im Anschluss an die Gedenkveranstaltung in der Paulskirche, Copyright: Stadt Frankfurt am Main, Foto: Salome Roessler