Frankfurt trauert um William „Bill“ Rudolf

Veröffentlicht: Neuigkeiten Ort: Frankfurt

ffm. 1928 als Wolfgang Ephraim in Frankfurt am Main geboren, wuchs der zweite Sohn von Max und Liese Rudolf in wohlgeordneten Verhältnissen im

ffm. 1928 als Wolfgang Ephraim in Frankfurt am Main geboren, wuchs der zweite Sohn von Max und Liese Rudolf in wohlgeordneten Verhältnissen im Westend auf. Sein Großvater, Justizrat Martin Ephraim, wirkte fast 30 Jahre als Notar der Leonhard Tietz AG Köln, einer der größten Kaufhausketten Deutschlands. Seine Großmutter Antonie Ephraim war die Tochter von Markus und Julie Tietz, dem Bamberger Zweig der weitverzweigten Kaufmannsfamilie, der 1919 nach Frankfurt übersiedelte. Seine Großtante Ella war mit Gustav Gerst verheiratet, der das Warenhausunternehmen H&C Tietz nun von Frankfurt aus leitete und in der Niederräder Landstraße 10 ein standesgemäßes Domizil erwarb. In der Frankfurter Gesellschaft trat Gerst als großer Förderer des Pferdesports, als Ehrenbürger der Goethe-Universität, „Ewiges Mitglied“ der Senckenberg’schen Gesellschaft und Mäzen des Frankfurter Goetheturms in Erscheinung. Doch statt Dank für dieses Engagement folgten Entrechtung, Enteignung und Vertreibung.

Bis 1937 verbrachte William Rudolf die Sommerferien in Niederrad und verlebte nach eigenen Worten eine wohlbehütete Kindheit, die ihm im Nachhinein wie ein „Paradies vorgekommen ist“. Diese Empfindungen teilten die Erwachsenen nicht. Sein Vater hatte Hitlers „Mein Kampf“ genau gelesen und in weiser Voraussicht bereits vor 1933 entschieden, den Familiennamen in Rudolf zu ändern, um seine beginnende Karriere als Dirigent nicht zu gefährden. Nach Stationen in Freiburg, Darmstadt und Prag wandert die Familie 1935 nach Schweden aus, wo Wolfgang die Schule besuchte und innerhalb kürzester Zeit Schwedisch lernen musste. Mit dem Überfall der Wehrmacht auf Dänemark und Norwegen floh die Familie 1940 über die Sowjetunion in die USA und wurde 1942 eingebürgert. Max Rudolf wurde zum gefeierten Dirigenten an der New Yorker Met und dem Cincinnati Symphony Orchestra.

William, wie sich Wolfgang nun nannte, promovierte 1950 an der New York University School of Law (und einem Bachelor in Geschichte) und begann eine steile Karriere als bedeutender Wirtschaftsanwalt und Unternehmensberater, die mit der Ernennung zum Vizepräsidenten des Nationalkomitees für Auswärtige Politik (National Committee on American Foreign Policy) einen Höhepunkt fand. William Rudolf beherrschte neben dem Englischen und Deutschen Französisch, Italienisch, Schwedisch und Spanisch.

Immer war sich William Rudolf seiner Herkunft und seiner Vorfahren bewusst, und gab dieses Wissen an seine fünf Kinder und zwölf Enkelkinder weiter. Allerdings besuchte er, wie zuvor Ella und Gustav Gerst, Frankfurt nach dem Krieg nicht wieder. Zu ambivalent war das Verhältnis zu seiner Vaterstadt. Umso überraschter war er, als in Vorbereitung eines Filmes über den Goetheturm der in New York lebende Journalist Sebastian Moll den Kontakt suchte.     

Im vergangenen Jahr fand am Goetheturm anlässlich des 150. Geburtstags von Gustav Gerst ein Festakt statt. Mit einer bewegenden Videobotschaft aus den USA berichtete Bill Rudolf von seiner Kindheit im Hause seines Onkels Gustav in Niederrad und von der brutalen Verfolgung durch die Nazis. Er schloss seine Worte mit der eindringlichen Warnung vor neu drohendem Antisemitismus und Rassismus.

Klimadezernentin Rosemarie Heilig sagt: „Bill Rudolf war eine außergewöhnliche Persönlichkeit und der letzte in unserer Stadt geborene Nachfahre zweier bedeutender Frankfurter Familien, der Juristenfamilie Ephraim/Rudolf und der Kaufmannsfamilie Tietz/Gerst. Ich bin froh, dass es mir möglich war, in seinen letzten Lebensjahren im Zeichen des Wiederaufbaus des Goetheturms mit ihm in Austausch zu treten und den Kontakt zu seiner Heimatstadt wiederherzustellen, die er seit seiner Vertreibung nicht mehr wiedergesehen hat. Er wollte letztes Jahr zum Festakt für seinen Onkel Gustav Gerst zu uns kommen, leider ließ es seine Gesundheit nicht mehr zu. Es ist aber schön zu wissen, dass mit dem Goetheturm, unserem Wahrzeichen im Stadtwald, für immer die Verbundenheit Frankfurts mit den Familien Rudolf und Gerst sichtbar bleibt.“