Gedenkstunde in der Paulskirche zu Ehren Trude Simonsohns

Veröffentlicht: Neuigkeiten Ort: Frankfurt

ffm. Am 6. Januar verstarb Trude Simonsohn, Frankfurts erste weibliche Ehrenbürgerin und bis zu ihrem Tod älteste Trägerin der

ffm. Am 6. Januar verstarb Trude Simonsohn, „Frankfurts erste weibliche Ehrenbürgerin und bis zu ihrem Tod älteste Trägerin der Wilhelm-Leuschner-Medaille des Landes Hessen. Mit ihrer optimistischen und offenen Art entwickelte sich die Holocaust-Überlebende zu einer der bedeutsamsten Stimmen der Frankfurter Stadtgesellschaft“, sagte der zur Gedenkstunde einladende Oberbürgermeister Peter Feldmann.

Mit der offiziellen Gedenkstunde der Stadt, des Landes Hessen und der Jüdischen Gemeinde nahmen am Mittwoch, 4. Mai, zahlreiche Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens Abschied von Simonsohn.

Zu den Rednern gehörten Oberbürgermeister Feldmann, Ministerpräsident Volker Bouffier sowie Prof. Salomon Korn, Vorstandsvorsitzender der Jüdischen Gemeinde Frankfurt. Die Autorin Elisabeth Abendroth las aus dem Buch „Noch ein Glück“, welches sich dem beeindruckenden Lebensweg Simonsohns widmet. Das Stadtoberhaupt würdigte Simonsohn: „Trude Simonsohn ist nicht weg, sie ist in uns und unseren Erinnerungen, sie ist und bleibt Menschlichkeit in Person.“

Prof. Korn sagte: „Trude, sel. A., war eine bemerkenswerte Frau. Trotz allem, was sie erlebt hatte, war ihr Lebenswille ungebrochen: Mit ihrem stets fröhlichen, den Raum erhellenden Lächeln gewann sie sofort die Herzen ihrer Zuhörer. Sie hat Zeit ihres Lebens für Verständigung und Versöhnung gewirkt und damit für eine friedlichere Gesellschaft. Insbesondere ihre eindringlichen und einfühlsamen Gespräche über das Erlebte mit Jugendlichen waren mehr als nur Geschichtsvermittlung, es war ein aufeinander Zugehen für eine bessere Zukunft, die um die Lehren der Vergangenheit weiß und diese umsetzt. Wir werden ihren Einsatz und ihren Beitrag für die Jüdische Gemeinde in Frankfurt nie vergessen. Trude bleibt in unserer Erinnerung und in unseren Herzen.“

Die im März 1921 in Olmütz im heutigen Tschechien geborene Jüdin überlebte das Ghetto Theresienstadt und das Vernichtungslager Auschwitz. 1955 zog Simonsohn mit ihrem Mann Berthold nach Frankfurt, wo sie sich in der Jüdischen Gemeinde engagierte und zeitlebens auf mannigfaltige Weise – aber stets ohne Gram und Verbitterung – als Zeitzeugin an die Gräueltaten des Nationalsozialismus erinnerte. Ihr Name ist untrennbar mit dem Wiederaufbau jüdischen Lebens in der Stadt und der Aussöhnung verbunden.

Der Weg an den Main hat vor allem mit ihrem Mann zu tun und die Vorgeschichte lässt beim Lesen innehalten. Trude und Berthold lernen sich in Theresienstadt kennen und heiraten kurz vor ihrer Deportation nach Auschwitz – der Ort, an dem die Nationalsozialisten ihre Mutter ermorden. Als die Schergen das Paar bei seiner Ankunft an der Rampe trennen, verabreden beide Theresienstadt als Treffpunkt für den Fall des Überlebens. Tatsächlich geschieht es so. Beide sehen sich dort 1945 nach der deutschen Kapitulation wieder. „Dass wir überlebt haben, ist ein Wunder“, zitiert die Jüdische Allgemeine 2016 sie anlässlich der Verleihung der Ehrenbürgerschaft der Stadt Frankfurt.

Über Stationen in der Tschechoslowakei, der Schweiz und Hamburg kamen beide nach Frankfurt. Der Weg in das Land der Täter ist ihr zuerst nicht leichtgefallen. In Frankfurt jedoch, schrieb sie einmal, habe sie zum ersten Mal seit Kriegsende wieder das Gefühl, zuhause zu sein. Die Stadt mit ihrer Liberalität und Weltläufigkeit passte zu ihr und der Sozialisation in einem aufgeklärten jüdischen Elternhaus. Dort und in ihrem Umfeld in Olmütz hatte sie als Kind und Jugendliche erlebt, dass Toleranz und Verständnis unabdingbare Voraussetzungen einer offenen und aufgeklärten Gesellschaft sind.

Berthold baut in Frankfurt die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland auf und übernimmt eine Professur für Sozialpädagogik und Jugendrecht. Sie übernimmt in der Jüdischen Gemeinde die Stelle für Sozialarbeit und Erziehungsberatung. Von 1989 bis 2001 amtiert sie als Gemeinderatsvorsitzende. Die Simonsohns gewinnen den Kinder- und Jugendpsychologen Günter Feldmann – selbst Überlebender der Shoah und Vater des heutigen Oberbürgermeisters – um sich um die traumatisierten Opfer des Holocausts zu kümmern. Die später nach ihm benannte Einrichtung widmet sich heute der Integration junger Migrantinnen und Migranten. „Ich kannte sie schon als Kind. Mein Vater hat für ihren Mann gearbeitet – für ihn der entscheidende Grund, nach Frankfurt zu kommen“, erinnerte sich der Oberbürgermeister.

Als Berthold 1978 stirbt, begann sie, sich als Zeitzeugin zu engagieren. Sie berichtet vor jungen Leuten über ihre Erlebnisse. Hierfür nimmt Simonsohn einiges an Anstrengung auf sich: „Manchmal versagt mir die Stimme und ich muss weinen!“ Aber es sind nicht nur die Schilderungen über das Erlebte, die das Publikum ergreifen. Ihre Herzenswärme und ihre positive Geisteshaltung beeindrucken regelmäßig. „Einer von Trude Simonsohns typischen Sätzen lautet: Es gibt Menschen, die Briefmarken sammeln. Ich sammele Freunde!'“, erinnerte sich Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte Anne Frank, anlässlich des 100. Geburtstages der Ehrenbürgerin.

Ein feinsinniger Humor, gerne antiautoritär gewürzt, gehörte zu ihren Markenzeichen. „Auch bei noch so ernsten Themen gab es immer den Punkt, an dem wir gemeinsam lachten“, berichtete der Oberbürgermeister. Oft kreisten Witze um jüdische Sitten und Gebräuche.

Die Frankfurter Ehrenbürgerin Simonsohn war Trägerin verschiedener weiterer Auszeichnungen. So erhielt sie die Wilhelm-Leuschner-Medaille des Landes Hessen und den Ignatz-Bubis-Preis für Verständigung. Die Goethe-Universität Frankfurt ehrte ihre Verdienste um die Erinnerungsarbeit durch die Benennung eines Saals nach ihr und ihrer Freundin Irmgard Heydorn. Ihren Lebensabend verbrachte Simonsohn in Budge-Heim in Seckbach, einer Einrichtung für Menschen jüdischen und nichtjüdischen Glaubens.

Fotos Oberbürgermeister Peter Feldmann kondoliert Trude Simonsohns Sohn Michael Simonsohn während der Gedenkstunde in der Paulskirche, Copyright: Stadt Frankfurt am Main, Foto: Salome Roessler 

Oberbürgermeister Peter Feldmann bei seiner Ansprache anlässlich der Gedenkstunde in der Paulskirche, Copyright: Stadt Frankfurt am Main, Foto: Salome Roessler 

Oberbürgermeister Peter Feldmann, Michael Simonsohn, Beate Simonsohn und Prof. Salomon Korn (v.l.n.r.) während der Gedenkstunde, Copyright: Stadt Frankfurt am Main, Foto: Salome Roessler