Neuerscheinung in der Reihe „Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst“: Frankfurter Kriminalgeschichte(n)

Veröffentlicht: Neuigkeiten Ort: Frankfurt

ffm. Seit jeher übt der vielgestaltige Komplex von Verbrechen und Strafe eine besondere Faszination aus. Darüber hinaus gewähren vielfältige

ffm. Seit jeher übt der vielgestaltige Komplex von „Verbrechen und Strafe“ eine besondere Faszination aus. Darüber hinaus gewähren vielfältige Quellen zur Kriminalgeschichte einzigartige Einsichten in die Geschichte des menschlichen Zusammenlebens, die weit über das Feld der Rechtsgeschichte hinausweisen. Diesem spannenden Thema am Beispiel Frankfurts widmet sich nun der 80. Band des Archivs für Frankfurts Geschichte und Kunst „Frankfurter Kriminalgeschichte(n)“.

„Gestützt vor allem auf die reichhaltige Überlieferung des Instituts für Stadtgeschichte decken die neun Beiträge ein weites Themenspektrum ab, das von den Orten der älteren Strafrechtspflege und ihrem prominentesten Akteur, dem Scharfrichter, über Wiederholungstäterinnen und die Falschmünzerei bis hin zur Zeit des Nationalsozialismus und dem linken Terror seit Ende der 1960er Jahre reicht“, sagt Franziska Kiermeier, Herausgeberin des Bandes, kommissarische Leiterin des Instituts für Stadtgeschichte und geschäftsführende Vorsitzende der Gesellschaft für Frankfurter Geschichte.

Im Institut für Stadtgeschichte sind über 13.000 „Criminalia“-Akten überliefert, die umfassend die Tätigkeit der Frankfurter Strafjustiz seit dem 16. Jahrhundert bis zur preußischen Annexion 1866 dokumentieren. Aufgrund dieses umfangreichen und spannenden Quellenbestandes nimmt die Frühe Neuzeit den zeitlichen Schwerpunkt in dem neu erschienenen Band ein, ergänzt um Beiträge zur NS-Geschichte und zur Geschichte des linken Terrorismus in der Bundesrepublik.

Den Auftakt bilden zwei inhaltlich miteinander verbundene Aufsätze von Michael Matthäus, Leiter der Alten Abteilung im Institut für Stadtgeschichte. Er geht in seinem Beitrag „Die Frankfurter Scharfrichter in Mittelalter und Früher Neuzeit“ zurück bis an den Anfang der städtischen Strafgerichtsbarkeit im 13. und frühen 14. Jahrhundert. 1373 wurde der erste eigene städtische Scharfrichter eingestellt, der nicht nur Todesurteile in Frankfurt vollstreckte, sondern auch Folter und Leibesstrafen ausübte. Im 16. Jahrhundert ergänzten Aufgaben wie die Abdeckerei und die Abtrittreinigung den grundsätzlich eher unattraktiven Beruf und werteten ihn zumindest ökonomisch auf. In Matthäus‘ zweitem Beitrag schließen sich einige biographische Skizzen Frankfurter Scharfrichter der Frühen Neuzeit an. Beide Aufsätze bieten damit die bislang detaillierteste Darstellung der Tätigkeit Frankfurter Scharfrichter.

Daran an schließt sich der Beitrag von Barbara Dölemeyer „Far du gauch“ an; „gauch“ bedeutet hier so viel wie „Narr“. Sie beschreibt über das engere Frankfurter Stadtgebiet hinausgehend rechtsarchäologische Erkenntnisse zu den Galgenstätten im Umland, zu den Prangern, an die Menschen zur Strafe gestellt wurden, und zu den Warn- oder Abwehrzeichen an Stadttoren, um unerwünschte Randgruppen wie „fahrendes Volk“ abzuschrecken.

Konrad Schneider zeigt in seinem Beitrag „Falschgeld und Falschmünzer in Frankfurt am Main“, dass Geldfälschung im Mittelalter und früherer Neuzeit ein verbreitetes Phänomen war, auch wenn Falschmünzer durchaus ihr Leben riskierten. Ab dem 17. Jahrhundert fielen die Urteile für die meist wirtschaftlich schlecht gestellten Fälscher deutlich milder aus und lauteten oft auf Zwangsarbeit und Ausweisungen. Die von Schneider ausgewerteten „Criminalia“-Akten enthalten nicht nur die schriftliche Überlieferung zu den Delikten, sondern als beigefügtes Beweismaterial oft auch gefälschte Münzen oder Werkzeug der Fälscher.

Kriminell gewordene Menschen wurden in der Frühen Neuzeit zur Strafe oft sozial und räumlich ausgegrenzt und der Stadt verwiesen, wie Jeanette Kamp in ihrem Beitrag über Wiederholungstäterinnen im 18. Jahrhundert zeigt. Ein typisch weibliches Delikt war die Prostitution, ebenso wie der „Urfehdebruch“, die wiederholte illegale Rückkehr in die Stadt nach einem Verweis. Kamp wertete die Criminalia-Akten aus, die sich mit der illegalen Rückkehr befassen, und kann so Einblicke in Lebensläufe von Täterinnen geben.

Zwar waren Freiheitsstrafen vor 1800 weitgehend unbekannt, es gab jedoch in Frankfurt und Umgebung eine Reihe von Orten, an denen Beschuldigte und Verurteilte untergebracht wurden, wie Barbara Dölemeyer in ihrem Aufsatz „Türme, Wachlokale, Schuldgefängnis“ beschreibt. Auch das 1579 errichtete städtische Armen- und Waisenhaus war ein Ort, an dem neben Waisen, Armen, psychisch Kranken und Bettlern auch verurteilte Straftäter verwahrt wurden – eine räumliche Trennung erfolgte erst unter dem Einfluss der Aufklärung mit der Eröffnung eines Zuchthauses 1809.

Andreas Eichstaedt schildert in seinem Beitrag „Sperrbatzen-Krawall, Wachensturm und Henriette Zobel“ die als „politisch“ bewerte Kriminalität im Vormärz und während der Revolution 1848/49. War der Sperrbatzen-Krawall 1831 gegen die Gängelei an Toren und Schlagbäumen noch ein eher spontaner Protest, so wollten die Protagonisten des Frankfurter Wachensturms 1833 damit einen revolutionären Umsturz auslösen. Im Revolutions- und Paulskirchenjahr 1848 blieb es in Frankfurt zunächst friedlich, doch im September kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen und Barrikadenkämpfen auf den Straßen der Stadt, in die auch die Frankfurterin Henriette Zobel mit ihrem Regenschirm verwickelt war, die anschließend – wie viele andere – hart bestraft wurde.

Einen größeren zeitlichen Sprung macht der Band dann mit dem Beitrag von Marcus Velke-Schmidt zur „Kriminalgeschichte der Stadt Frankfurt am Main im Nationalsozialismus“. Auch Velke-Schmidt kann sich auf manche Bestände des Instituts für Stadtgeschichte stützen, die Aufschluss über das Wirken der Kriminalpolizei von 1933 bis 1945 geben. Die Frankfurter Polizei erwies sich als eine wichtige Stütze des nationalsozialistischen Regimes und war in die Verfolgung von so genannten „Asozialen“, „Berufsverbrechern und Homosexuellen“ eingebunden. Velke-Schmidts Beitrag zeigt, wie sehr die Definition von Kriminalität auch von den jeweiligen Herrschaftsverhältnissen abhängt.

Den Band beschließt Wolfgang Kraushaar mit seinem Beitrag zu „Frankfurt und der linke Terrorismus“. Zwar war die Stadt nicht Geburtsort des westdeutschen Terrorismus, zentrale Protagonisten der RAF traten 1968 jedoch in Frankfurt erstmals mit den Brandanschlägen auf zwei Kaufhäuser in den Blick der Öffentlichkeit. Von ihrer Zentrale in Frankfurt aus startete die RAF dann 1972 Bombenattentate, deren erstes Ziel am 11. Mai das US-amerikanische Offizierskasino im IG-Farben-Gebäude war. Kurz darauf wurden Andreas Baader und zwei Mitstreiter in Frankfurt verhaftet. 1981 wurde der bis heute nicht aufgeklärte Mord am hessischen Finanz- und Wirtschaftsminister Heinz-Herbert Karry verübt.

Der Publikation liegt die gleichnamige Vortragsreihe zugrunde, die das Institut für Stadtgeschichte und die Gesellschaft für Frankfurter Geschichte  2018/19 veranstaltet hat. Die 248-seitige, umfassend bebilderte Publikation ist im Verlag Henrich Editionen, Frankfurt am Main (ISBN: 978-3-96320-075-5) erschienen. Sie ist im Buchhandel, im Institut für Stadtgeschichte und über den Verlag für 30 Euro erhältlich.

Fotos Feuergefecht der Frankfurter Polizei am Schauspielhaus mit Antonius Johannes Terburg, 7. Juni 1968, ISG FFM Best. S7FR (Fotosammlung Frankfurter Rundschau) Nr. 5610, Foto: Kurt Weiner 

Weitere Pressebilder finden sich unter stadtgeschichte-ffm.de/de/print-und-medien/presse  zum Download. Sie dürfen nur im Zusammenhang mit der Berichterstattung über die Publikation „Frankfurter Kriminalgeschichten“ und unter Nennung der Rechteinhaber verwendet werden.

Kontakt für die Medien Kristina Matron, Institut für Stadtgeschichte, Telefon 069/212-30956 , E-Mail presse.isg@stadt-frankfurt.de