Der digitale Lotse für Gesundheitsämter
Wie zwei unkonventionelle Denker mit einem Entwicklerteam eine der
größten Verwaltungssoftwares Deutschlands als Open Source auf den Weg
brachten
ffm. In nur elf Monaten haben Bianca Kastl und Tim Lusa Hand in Hand mit einem interdisziplinären Team die Verwaltungssoftware „GA-Lotse“ entwickelt – eine modulare, datensichere Open-Source-Lösung, die das Gesundheitsamt Frankfurt am Main und bald viele andere Behörden in ganz Deutschland digital in die Zukunft führt. Was sie antreibt, woher ihr Mut kommt – und was Behörden und Bürgerinnen und Bürger davon haben.
Schon als Teenager schrieb Bianca Kastl ihre erste Website und auch Tim Lusa programmierte da schon seine erste Software. Heute sind beide 39 Jahre alt und setzen als Teil des zeitweise bis zu 120 Personen starken GA-Lotse Teams eines der ambitioniertesten Verwaltungs-Digitalisierungsprojekte Deutschlands um. „Vor uns lag eine grüne Wiese“, sagt Lusa, „und wir hatten die Chance, alles richtig zu machen.“ Kastl ergänzt: „Wir wollten mit GA-Lotse einen Mehrwehrt für die Verwaltung schaffen.“
Im Oktober 2024 ist die Software live gegangen – in Frankfurt am Main und bald auch in anderen Städten. Unter der Führung von Stefanie Kaulich, Leiterin der Abteilung Digitale Zukunft, IT und strategische Planung im Gesundheitsamt Frankfurt entwickelt, mit Förderung von EU und Land Hessen, soll GA-Lotse den Flickenteppich aus veralteten Einzelanwendungen ablösen. Inklusive modularer Architektur, intuitivem UI und höchstem Datenschutz – made by Behördenpraxis.
Vom Flickenteppich zur Plattform
Die Ausgangslage war typisch für viele deutsche Behörden: jahrzehntealte, lokal angepasste Software, teils ohne Schnittstellen, mit hohem Wartungsaufwand – und kaum noch kompatibel mit modernen Anforderungen an Datenschutz, Effizienz oder Nutzerfreundlichkeit. „In der Pandemie mussten sich Gesundheitsämter die Fallzahlen teilweise telefonisch durchgeben“, erinnert sich Dr. Peter Tinnemann, Leiter des Frankfurter Gesundheitsamts.
Die Vision: eine zentrale Plattform, modular, offen, interoperabel. Die Umsetzung: in elf Monaten durch ein Team aus bis zu 120 Personen – Entwicklerinnen, UX-Expertinnen, Datenschutzbeauftragte, Verwaltungskräfte. Und mittendrin Kastl und Lusa, die als Product Owner nicht nur die Vision entwickelten und verfolgten, sondern intensiv in Technik und Umsetzung eingebunden waren.
„GA-Lotse ist mehr als Software“, sagt Tinnemann. „Es ist der Versuch, öffentliche Verwaltung neu zu denken – transparent, nutzerzentriert, offen für Kooperation.“
Datensicherheit auf neuem Niveau
Ein zentrales Prinzip war von Anfang an gesetzt: Wer später mit der Software arbeiten soll, gestaltet sie mit. In zahlreichen Workshops und Roadshows analysierte das GA-Lotse-Team mit Mitarbeitenden aus Fachabteilungen der Gesundheitsämter nicht nur bestehende Prozesse, sondern entwarfen neue digitale Abläufe – dokumentiert, getestet und in iterativen Sprints umgesetzt.
„Wir wollten nicht digitalisieren, was schlecht läuft“, sagt Kastl. „Wir wollten bessere Abläufe gestalten – gemeinsam.“ Dazu gehörte auch die bewusste Entscheidung gegen die typische Behördensoftware-Ästhetik: GA-Lotse kommt mit klarer UI, sprich: Benutzeroberfläche, barrierefreier Navigation und einem Interface daher, das auch ohne Schulung intuitiv bedienbar ist.
Datenschutz war für das Team kein notwendiges Übel, sondern integraler Bestandteil des Systems. „Wir haben Datenschutz so gedacht, wie man es heute muss“, erklärt Lusa. GA-Lotse trennt strikt zwischen Personen- und Falldaten, nutzt Zero-Trust-Prinzipien und passwortlose Anmeldungen via biometrischer Verfahren oder Sicherheitstokens.
Die Software erfüllt Kriterien des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und wird in Rechenzentren mit Geo-Redundanz betrieben. Im März 2025 wurde sie mit dem InfoSec Impact Award ausgezeichnet, einer der renommiertesten Preise für Informationssicherheit in Europa.
Open Source – weil es alle etwas angeht
GA-Lotse ist Open Source. „Public Money, Public Code“ ist dabei nicht nur ein Prinzip, sondern ein Versprechen. Der Quellcode steht unter AGPL-3.0 und Apache 2.0 Lizenz auf Gitlab zur Verfügung. Behörden können sich einklinken, Module adaptieren oder mitentwickeln – über die OpenCoDE-Plattform oder bilateral.
Außergewöhnlich ist, dass so ein Projekt von einer kommunalen Behörde wie Frankfurt initiiert wurde und gleichzeitig in enger Kooperation mit einem Landesministerium umgesetzt wird. „Mit GA-Lotse leisten wir gemeinsam einen Beitrag zu einer landesweiten Vernetzung der Gesundheitsämter und tragen dazu bei, dass sich der Öffentliche Gesundheitsdienst in Hessen zukunftsfähig aufstellen kann“, sagt Stefanie Kaulich.
Die Hoffnung: ein Kulturwandel in der Verwaltung – hin zu Kooperation, Wissensaustausch und digitalen Standards, die nicht in jeder Stadt neu erfunden werden müssen.
Bürgerinnen als indirekte Gewinnerinnen
Dank GA-Lotse lassen sich etwa Einschulungsuntersuchungen oder amtsärztliche Termine online verschieben, Unterlagen hochladen oder Dokumente digital empfangen. Vor allem aber profitieren die Bürgerinnen und Bürger mittelbar: „Wenn Mitarbeitende nicht mehr ihre Zeit mit dem Übertragen von Formularen oder dem Suchen nach Daten verbringen müssen, haben sie mehr Kapazität für Beratung, Prävention und Forschung“, sagt Kastl.
Zudem liefert die Plattform in Echtzeit aggregierte Gesundheitsdaten – ein wichtiger Schritt hin zu evidenzbasiertem Handeln im Öffentlichen Gesundheitsdienst.
Neben Datenschutz, Usability und Modularität war ein Aspekt beiden Product-Ownern besonders wichtig: Freude an der Arbeit. „Es hat einfach Spaß gemacht, als Teil eines bunten, hochkompetenten Teams etwas Sinnvolles zu bauen“, sagt Kastl.
Lusa ergänzt: „Für mich war die größte Herausforderung zugleich der größte Reiz – mit einer klaren Vision andere zu begeistern und gemeinsam Neuland zu betreten.“
„Eine Basis, auf der man aufbauen kann“ Aktuell sind vier Fachmodule live, darunter Einschulungsuntersuchung, HIV/STI-Beratung und Hygiene-Begehungen. Weitere Module folgen. Schulungsprogramme, Supportstrukturen und ein nachhaltiges Betriebskonzept sind in Arbeit.
Eine bundesweite Nutzung ist möglich – und ist ausdrücklich erwünscht. „GA-Lotse kann überall dort helfen, wo komplexe Prozesse einfach und sicher abgebildet werden sollen“, sagt Amtsleiter Tinnemann. „Und wo man den Mut hat, Verwaltung nicht nur digital, sondern auch neu zu denken.“
Die Entwickler sehen in GA-Lotse nicht das Ziel, sondern den Anfang. „Wir haben eine skalierbare, offene Plattform geschaffen“, sagt Lusa. „Darauf kann man aufbauen – in Gesundheitsämtern, aber auch in anderen Bereichen wie der Feuerwehr oder Bürgerdiensten.“
Bianca Kastl bringt es auf den Punkt: „Die Entwicklung von GA-Lotse war die Chance, alles richtig zu machen. Und ich glaube, das haben wir.“
Ein Interview mit den Entwicklern der Software findet sich im beigefügten PDF-Dokument.
Download Interview mit Bianca Kastl und Tim Lusa, den Entwicklern der Verwaltungssoftware „GA-Lotse“
Foto Bianca Kastl (li.) und Tim Lusa sind die unkonventionellen Denker hinter GA-Lotse, Copyright: Gesundheitsamt Frankfurt am Main
Kontakt für die Medien Gesundheitsamt Frankfurt, Pressestelle, E-Mail presse.gesundheitsamt@stadt-frankfurt.de
ffm. In nur elf Monaten haben Bianca Kastl und Tim Lusa Hand in Hand mit einem interdisziplinären Team die Verwaltungssoftware „GA-Lotse“ entwickelt – eine modulare, datensichere Open-Source-Lösung, die das Gesundheitsamt Frankfurt am Main und bald viele andere Behörden in ganz Deutschland digital in die Zukunft führt. Was sie antreibt, woher ihr Mut kommt – und was Behörden und Bürgerinnen und Bürger davon haben.
Schon als Teenager schrieb Bianca Kastl ihre erste Website und auch Tim Lusa programmierte da schon seine erste Software. Heute sind beide 39 Jahre alt und setzen als Teil des zeitweise bis zu 120 Personen starken GA-Lotse Teams eines der ambitioniertesten Verwaltungs-Digitalisierungsprojekte Deutschlands um. „Vor uns lag eine grüne Wiese“, sagt Lusa, „und wir hatten die Chance, alles richtig zu machen.“ Kastl ergänzt: „Wir wollten mit GA-Lotse einen Mehrwehrt für die Verwaltung schaffen.“
Im Oktober 2024 ist die Software live gegangen – in Frankfurt am Main und bald auch in anderen Städten. Unter der Führung von Stefanie Kaulich, Leiterin der Abteilung Digitale Zukunft, IT und strategische Planung im Gesundheitsamt Frankfurt entwickelt, mit Förderung von EU und Land Hessen, soll GA-Lotse den Flickenteppich aus veralteten Einzelanwendungen ablösen. Inklusive modularer Architektur, intuitivem UI und höchstem Datenschutz – made by Behördenpraxis.
Vom Flickenteppich zur Plattform
Die Ausgangslage war typisch für viele deutsche Behörden: jahrzehntealte, lokal angepasste Software, teils ohne Schnittstellen, mit hohem Wartungsaufwand – und kaum noch kompatibel mit modernen Anforderungen an Datenschutz, Effizienz oder Nutzerfreundlichkeit. „In der Pandemie mussten sich Gesundheitsämter die Fallzahlen teilweise telefonisch durchgeben“, erinnert sich Dr. Peter Tinnemann, Leiter des Frankfurter Gesundheitsamts.
Die Vision: eine zentrale Plattform, modular, offen, interoperabel. Die Umsetzung: in elf Monaten durch ein Team aus bis zu 120 Personen – Entwicklerinnen, UX-Expertinnen, Datenschutzbeauftragte, Verwaltungskräfte. Und mittendrin Kastl und Lusa, die als Product Owner nicht nur die Vision entwickelten und verfolgten, sondern intensiv in Technik und Umsetzung eingebunden waren.
„GA-Lotse ist mehr als Software“, sagt Tinnemann. „Es ist der Versuch, öffentliche Verwaltung neu zu denken – transparent, nutzerzentriert, offen für Kooperation.“
Datensicherheit auf neuem Niveau
Ein zentrales Prinzip war von Anfang an gesetzt: Wer später mit der Software arbeiten soll, gestaltet sie mit. In zahlreichen Workshops und Roadshows analysierte das GA-Lotse-Team mit Mitarbeitenden aus Fachabteilungen der Gesundheitsämter nicht nur bestehende Prozesse, sondern entwarfen neue digitale Abläufe – dokumentiert, getestet und in iterativen Sprints umgesetzt.
„Wir wollten nicht digitalisieren, was schlecht läuft“, sagt Kastl. „Wir wollten bessere Abläufe gestalten – gemeinsam.“ Dazu gehörte auch die bewusste Entscheidung gegen die typische Behördensoftware-Ästhetik: GA-Lotse kommt mit klarer UI, sprich: Benutzeroberfläche, barrierefreier Navigation und einem Interface daher, das auch ohne Schulung intuitiv bedienbar ist.
Datenschutz war für das Team kein notwendiges Übel, sondern integraler Bestandteil des Systems. „Wir haben Datenschutz so gedacht, wie man es heute muss“, erklärt Lusa. GA-Lotse trennt strikt zwischen Personen- und Falldaten, nutzt Zero-Trust-Prinzipien und passwortlose Anmeldungen via biometrischer Verfahren oder Sicherheitstokens.
Die Software erfüllt Kriterien des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und wird in Rechenzentren mit Geo-Redundanz betrieben. Im März 2025 wurde sie mit dem InfoSec Impact Award ausgezeichnet, einer der renommiertesten Preise für Informationssicherheit in Europa.
Open Source – weil es alle etwas angeht
GA-Lotse ist Open Source. „Public Money, Public Code“ ist dabei nicht nur ein Prinzip, sondern ein Versprechen. Der Quellcode steht unter AGPL-3.0 und Apache 2.0 Lizenz auf Gitlab zur Verfügung. Behörden können sich einklinken, Module adaptieren oder mitentwickeln – über die OpenCoDE-Plattform oder bilateral.
Außergewöhnlich ist, dass so ein Projekt von einer kommunalen Behörde wie Frankfurt initiiert wurde und gleichzeitig in enger Kooperation mit einem Landesministerium umgesetzt wird. „Mit GA-Lotse leisten wir gemeinsam einen Beitrag zu einer landesweiten Vernetzung der Gesundheitsämter und tragen dazu bei, dass sich der Öffentliche Gesundheitsdienst in Hessen zukunftsfähig aufstellen kann“, sagt Stefanie Kaulich.
Die Hoffnung: ein Kulturwandel in der Verwaltung – hin zu Kooperation, Wissensaustausch und digitalen Standards, die nicht in jeder Stadt neu erfunden werden müssen.
Bürgerinnen als indirekte Gewinnerinnen
Dank GA-Lotse lassen sich etwa Einschulungsuntersuchungen oder amtsärztliche Termine online verschieben, Unterlagen hochladen oder Dokumente digital empfangen. Vor allem aber profitieren die Bürgerinnen und Bürger mittelbar: „Wenn Mitarbeitende nicht mehr ihre Zeit mit dem Übertragen von Formularen oder dem Suchen nach Daten verbringen müssen, haben sie mehr Kapazität für Beratung, Prävention und Forschung“, sagt Kastl.
Zudem liefert die Plattform in Echtzeit aggregierte Gesundheitsdaten – ein wichtiger Schritt hin zu evidenzbasiertem Handeln im Öffentlichen Gesundheitsdienst.
Neben Datenschutz, Usability und Modularität war ein Aspekt beiden Product-Ownern besonders wichtig: Freude an der Arbeit. „Es hat einfach Spaß gemacht, als Teil eines bunten, hochkompetenten Teams etwas Sinnvolles zu bauen“, sagt Kastl.
Lusa ergänzt: „Für mich war die größte Herausforderung zugleich der größte Reiz – mit einer klaren Vision andere zu begeistern und gemeinsam Neuland zu betreten.“
„Eine Basis, auf der man aufbauen kann“ Aktuell sind vier Fachmodule live, darunter Einschulungsuntersuchung, HIV/STI-Beratung und Hygiene-Begehungen. Weitere Module folgen. Schulungsprogramme, Supportstrukturen und ein nachhaltiges Betriebskonzept sind in Arbeit.
Eine bundesweite Nutzung ist möglich – und ist ausdrücklich erwünscht. „GA-Lotse kann überall dort helfen, wo komplexe Prozesse einfach und sicher abgebildet werden sollen“, sagt Amtsleiter Tinnemann. „Und wo man den Mut hat, Verwaltung nicht nur digital, sondern auch neu zu denken.“
Die Entwickler sehen in GA-Lotse nicht das Ziel, sondern den Anfang. „Wir haben eine skalierbare, offene Plattform geschaffen“, sagt Lusa. „Darauf kann man aufbauen – in Gesundheitsämtern, aber auch in anderen Bereichen wie der Feuerwehr oder Bürgerdiensten.“
Bianca Kastl bringt es auf den Punkt: „Die Entwicklung von GA-Lotse war die Chance, alles richtig zu machen. Und ich glaube, das haben wir.“
Ein Interview mit den Entwicklern der Software findet sich im beigefügten PDF-Dokument.
Download Interview mit Bianca Kastl und Tim Lusa, den Entwicklern der Verwaltungssoftware „GA-Lotse“
Foto Bianca Kastl (li.) und Tim Lusa sind die unkonventionellen Denker hinter GA-Lotse, Copyright: Gesundheitsamt Frankfurt am Main
Kontakt für die Medien Gesundheitsamt Frankfurt, Pressestelle, E-Mail presse.gesundheitsamt@stadt-frankfurt.de