„Die Erinnerung muss konkret sein“

Veröffentlicht: Neuigkeiten Ort: Frankfurt

Beim Holocaust-Gedenken in der Paulskirche weist Bürgermeisterin Eskandari-Grünberg auf die Spuren in Frankfurt hin

ffm. „Auschwitz war kein abstraktes Symbol über das Böse im Menschen. Es war ein wirklicher Ort. An dem ganz normale Männer und Frauen sich zu Hitlers willigen Vollstreckern gemacht haben.“ Mit diesen Worten hat Bürgermeisterin Nargess Eskandari-Grünberg am Montag, 27. Januar, in der Paulskirche die Gäste der Gedenkstunde anlässlich des 80. Jahrestages der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz begrüßt. Deshalb, so Eskandari-Grünberg vor 400 Gästen, müsse die Erinnerung an Auschwitz ebenfalls konkret sein. „Die Spuren der Vernichtung müssen zurückverfolgt werden, bis hierher. Bis vor die eigene Haustür.“

So seien noch am 26. Januar und am 1. Februar 1945 Häftlinge aus Buchenwald im KZ Katzbach im Gallus eingetroffen, von denen einige zuvor in Auschwitz gefangen gehalten und gequält worden seien. Später seien die Lagerinsassen auf einen Todesmarsch nach Hünfeld geschickt worden. „Es ist dieses konkrete Wissen um den nationalsozialistischen Massenmord, das auf keinen Fall verloren gehen darf“, sagte Eskandari-Grünberg.

Bei ihren Schulbesuchen im Rahmen des Aktionsplans gegen Antisemitismus habe sie ein tiefsitzendes Bedürfnis der Schülerinnen und Schüler gespürt, diesen Fragen nicht aus dem Weg zu gehen. „Diesem Bedürfnis müssen wir nachkommen. Die Erinnerung darf auch bei den jüngeren Generationen nie verblassen. Vor allem, weil wir derzeit einer historischen Situation gegenüberstehen. Stück für Stück bröckelt die Brandmauer. Nie wieder ist jetzt.“

Die Bürgermeisterin erinnerte außedem an die Worte der Holocaustüberlebenden und Frankfurterin Eva Szepesi im vergangenen Jahr im Bundestag, die ein „lautes Schweigen aus der Mitte der Gesellschaft“ nach dem Terror-Anschlag der Hamas gegen Israel konstatiert hatte. Eskandari-Grünberg forderte: „Dieses Schweigen muss ein Ende haben. Jüdinnen und Juden dürfen nicht alleine gelassen werden. Der Kampf gegen Antisemitismus ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.“

In einem Podiumsgespräch wies die Autorin und Enkelin von Holocaust-Überlebenden Barbara Bišický-Ehrlich darauf hin, dass während der Deportation „viele Deutsche zwar stumm, aber niemand taub war“. Ihre Familiengeschichte hat Bišický-Ehrlich in dem Buch „Sag, dass es Dir gutgeht“ geschildert. Der Holocaust sei immer Teil ihres Lebens gewesen, auch wenn in der Familie, in ihrer Kindheit nicht darüber gesprochen worden sei. Wichtig seien Projekte wie das mit Schülerinnen und Schülern der Jüdischen Schule, die Jüdinnen und Juden zu ihren Erinnerungen an diese Zeit befragten und damit persönliche Einblicke in die jeweilige Familiengeschichte gewährte. Solche Projekte sollte es an allen Schulen geben, betonte  Bišický-Ehrlich.

Fotos Bürgermeisterin Eskandari-Grünberg begrüßte die Gäste in der Paulskirche, Copyright: Stadt Frankfurt am Main, Foto: Holger Menzel 

400 Gäste kamen zu der Gedenkveranstaltung am Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz, Copyright: Stadt Frankfurt am Main, Foto: Holger Menzel 

Nach der Gedenkstunde legten Marc Grünbaum und Rachel Heuberger von der Jüdischen Gemeinde, Bürgermeisterin Nargess Eskandari-Grünberg, Barbara Bišický-Ehrlich und Rabbiner Avichai Apel (von links) am Mahnmal an der Außenfassade der Paulskirche einen Kranz nieder, Copyright: Stadt Frankfurt am Main, Foto: Holger Menzel