Drei auf einen Pinselstreich
Der Künstler Johannes Heisig hat gleich drei ehemalige Frankfurter
Stadtoberhäupter porträtiert. Am 17. September werden die Gemälde
enthüllt
ffm. Der Geruch von Öl- und Acrylfarben liegt in der Luft. Riesige Gemälde zieren den Raum. Sie hängen an der Wand, stehen auf dem Boden oder auf Staffeleien. Licht fällt durch ein großes Fenster. Dahinter schweift der Blick über weite Felder und grüne Wiesen. Inmitten dieser Szenerie hat der Maler und Grafiker Johannes Heisig monatelang an drei Porträts von Menschen gearbeitet, die als Oberbürgermeisterin und Oberbürgermeister von Frankfurt am Main die Stadt über viele Jahre geprägt haben: Petra Roth, Andreas von Schoeler und Volker Hauff. Am Mittwoch, 17. September, werden die Ölgemälde im Kaisersaal des Römers enthüllt und präsentiert. Dauerhaft sichtbar werden sie aber erst in ferner Zukunft.
Eine Frankfurter Tradition
Es ist eine Frankfurter Tradition, dass großflächige Porträts der Frankfurter Oberbürgermeister in der Wandelhalle im Römer aufgehängt werden, aber erst, wenn sie verstorben sind. Zwölf Stadtoberhäupter hängen dort bereits an den Wänden. So blicken etwa Ludwig Landmann, Willi Brundert und Rudi Arndt auf die Vorbeilaufenden herab. Die Ahnengalerie befindet sich im ersten Stock des Rathauses, direkt vor der Tür des Magistratssitzungssaales. Das war allerdings nicht immer so. 1952 hingen die Porträts von Johannes Franz von Miquel und Franz Adickes noch im Magistratssitzungssaal. 1953 entschied man sich allerdings dazu, dass es dort keinen Wandschmuck mehr geben solle. Deshalb zogen die Gemälde gemeinsam mit anderen OB-Porträts in die Wandelhalle. Doch mit dieser Tradition wäre 1970 fast Schluss gewesen. Der damalige Oberbürgermeister Walter Möller hatte angekündigt, künftig auf die Porträts verzichten zu wollen, zumindest für sich selbst. Das konnte dank der Stadtverwaltung verhindert werden. Aus dieser Zeit stammt aber auch der Vorschlag des damaligen Kulturdezernenten Hilmar Hoffmann, dass die jeweiligen Oberbürgermeister zu Lebzeiten gemalt werden und nicht erst nach dem Tode anhand von Fotos. Zuletzt wurden die Porträts von Wolfram Brück und Walter Wallmann in der Wandelhalle aufgehängt.
Ihre Nachfolger – Volker Hauff, Andreas von Schoeler und Petra Roth – hatten es bisher allerdings stets versäumt, Porträts von sich anfertigen zu lassen. „Ich habe lange dafür gebraucht, mich damit abzufinden, dass auch ich irgendwann mal gemalt werde“, sagt Oberbürgermeisterin a.D. Petra Roth heute. Sie stand von 1995 bis 2012 an der Spitze der Stadt. „Es war mir bisher immer unangenehm, mein Konterfei in Öl auf Leinwand zu bringen, um dann von anderen angeschaut zu werden.“
Viele Prominente porträtiert
Vor einigen Jahren, den Zeitpunkt kann niemand mehr so genau benennen, haben sich die drei ehemaligen Stadtoberhäupter dann aber doch mal darüber unterhalten, dass auch sie sich dringend um diese Angelegenheit kümmern müssten. Gesagt, getan. Von Schoeler nahm die Suche nach einem geeigneten Maler in die Hand. Verschiedene Künstler habe er sich angeschaut, Johannes Heisig aber habe ihn – und letztendlich auch Roth und Hauff – überzeugt.
Johannes Heisig wurde 1953 in Frankfurts Partnerstadt Leipzig geboren. Heute lebt und arbeitet er in einem kleinen Dorf namens Teetz, im Landkreis Ostprignitz-Ruppin in Brandenburg. Heisig stammt aus einer echten Künstlerfamilie. Sein Großvater, sein Vater, sein Bruder, sie alle waren ebenfalls Maler und Grafiker. Er hat schon zahlreiche Personen des öffentlichen Lebens porträtiert: den ehemaligen Bundespräsidenten Johannes Rau, Ex-Bundeskanzler Willy Brandt, Ex-Bundesfinanzminister Peer Steinbrück, den einstigen Bundestagpräsidenten Wolfgang Thierse sowie den Frankfurter Unternehmer Claus Wisser mit seiner Frau und Schriftstellerin Eva Demski.
„Johannes Heisig fiel mir als besonderer Maler auf“, erzählt Andreas von Schoeler, Frankfurter Oberbürgermeister von 1991 bis 1995, im Rückblick. „Er hat viele Menschen porträtiert, die ich aus meiner politischen Laufbahn kenne. Deshalb kann ich sagen: Er fängt in seinen Bildern das Wesen der Personen ein, die er malt. Das gefällt mir.“ Finanziert wurden die drei Ölgemälde aus dem Budget des Kulturamts der Stadt Frankfurt.
Drei Besuche in Brandenburg
In den vergangenen drei Jahren waren die ehemaligen Stadtoberhäupter jeweils drei Mal, mehrere Tage lang in Heisigs Atelier in Brandenburg (von Schoeler: „Alles Städtische ist dort weit, weit weg.“), verbrachten Stunde um Stunde sitzend oder stehend, während der Künstler Pinselstrich um Pinselstrich sein Werk bearbeitete.
„Es ist schon ein merkwürdiges Gefühl, wenn man immer nur die Rückseite der Leinwand sieht und nicht, was darauf entsteht“, sagt von Schoeler über seine Zeit als Modell. Langeweile sei trotz der langen Vormittage und Nachmittage in dem Atelier bei ihm aber nie aufgekommen. „Wir haben stundenlang geredet, über Musik, über Politik, über alles Mögliche“, sagt von Schoeler. „Johannes Heisig ist ein hochinteressanter und sympathischer Mensch.“
Das sieht Petra Roth ähnlich. „Ich habe die Zeit in dem Atelier sehr genossen“, sagt sie. Das stundenlange Sitzen sei aber auch harte Arbeit gewesen, für den Künstler und das Modell gleichermaßen. Nichtsdestotrotz habe sie viele tiefsinnige, großartige Gespräche mit Heisig geführt – über ihre Kindheit, über Norddeutschland. „Wir können sehr stolz sein, dass wir einen so berühmten und erfolgreichen Künstler für uns gewinnen konnten.“
Auch Hauff denkt gerne an die Begegnungen mit dem Künstler zurück. „An mehreren Tagen saßen wir uns stundenlang in seinem Atelier gegenüber. Er voll konzentriert auf sein Werk; und zugleich offen für das Gespräch über Gott und die Welt“, erzählt Hauff. Sogar einem Essay über den Mystiker Jakob Böhme lauschten sie, gemeinsam, fast nebenher. Ein Zitat von Böhme hätte sie lange und intensiv beschäftigt: „So kein Böses wäre, würde das Gute nicht erkannt“. „Dieses Zitat ist für mich untrennbar mit der Erinnerung an diese für mich so fruchtbare Begegnung mit Johannes Heisig verknüpft“, sagt Hauff. Die Malerei von Heisig bezeichnet er als „kraftvoll, manchmal aufwühlend, nie gefällig“.
Bis sich die Besucherinnen und Besucher der Wandelhalle des Römers von dieser Wirkung selbst überzeugen können, wird es allerdings noch dauern. Denn zunächst einmal werden die Porträts im Historischen Museum eingelagert, bis sie eines Tages die Ahnengalerie der Frankfurter Oberbürgermeister im Rathaus vervollständigen.
Text: Julia Lorenz
Foto Johannes Heisig in seinem Atelier im brandenburgischen Teetz, Copyright: Barbara H. Klemm
ffm. Der Geruch von Öl- und Acrylfarben liegt in der Luft. Riesige Gemälde zieren den Raum. Sie hängen an der Wand, stehen auf dem Boden oder auf Staffeleien. Licht fällt durch ein großes Fenster. Dahinter schweift der Blick über weite Felder und grüne Wiesen. Inmitten dieser Szenerie hat der Maler und Grafiker Johannes Heisig monatelang an drei Porträts von Menschen gearbeitet, die als Oberbürgermeisterin und Oberbürgermeister von Frankfurt am Main die Stadt über viele Jahre geprägt haben: Petra Roth, Andreas von Schoeler und Volker Hauff. Am Mittwoch, 17. September, werden die Ölgemälde im Kaisersaal des Römers enthüllt und präsentiert. Dauerhaft sichtbar werden sie aber erst in ferner Zukunft.
Eine Frankfurter Tradition
Es ist eine Frankfurter Tradition, dass großflächige Porträts der Frankfurter Oberbürgermeister in der Wandelhalle im Römer aufgehängt werden, aber erst, wenn sie verstorben sind. Zwölf Stadtoberhäupter hängen dort bereits an den Wänden. So blicken etwa Ludwig Landmann, Willi Brundert und Rudi Arndt auf die Vorbeilaufenden herab. Die Ahnengalerie befindet sich im ersten Stock des Rathauses, direkt vor der Tür des Magistratssitzungssaales. Das war allerdings nicht immer so. 1952 hingen die Porträts von Johannes Franz von Miquel und Franz Adickes noch im Magistratssitzungssaal. 1953 entschied man sich allerdings dazu, dass es dort keinen Wandschmuck mehr geben solle. Deshalb zogen die Gemälde gemeinsam mit anderen OB-Porträts in die Wandelhalle. Doch mit dieser Tradition wäre 1970 fast Schluss gewesen. Der damalige Oberbürgermeister Walter Möller hatte angekündigt, künftig auf die Porträts verzichten zu wollen, zumindest für sich selbst. Das konnte dank der Stadtverwaltung verhindert werden. Aus dieser Zeit stammt aber auch der Vorschlag des damaligen Kulturdezernenten Hilmar Hoffmann, dass die jeweiligen Oberbürgermeister zu Lebzeiten gemalt werden und nicht erst nach dem Tode anhand von Fotos. Zuletzt wurden die Porträts von Wolfram Brück und Walter Wallmann in der Wandelhalle aufgehängt.
Ihre Nachfolger – Volker Hauff, Andreas von Schoeler und Petra Roth – hatten es bisher allerdings stets versäumt, Porträts von sich anfertigen zu lassen. „Ich habe lange dafür gebraucht, mich damit abzufinden, dass auch ich irgendwann mal gemalt werde“, sagt Oberbürgermeisterin a.D. Petra Roth heute. Sie stand von 1995 bis 2012 an der Spitze der Stadt. „Es war mir bisher immer unangenehm, mein Konterfei in Öl auf Leinwand zu bringen, um dann von anderen angeschaut zu werden.“
Viele Prominente porträtiert
Vor einigen Jahren, den Zeitpunkt kann niemand mehr so genau benennen, haben sich die drei ehemaligen Stadtoberhäupter dann aber doch mal darüber unterhalten, dass auch sie sich dringend um diese Angelegenheit kümmern müssten. Gesagt, getan. Von Schoeler nahm die Suche nach einem geeigneten Maler in die Hand. Verschiedene Künstler habe er sich angeschaut, Johannes Heisig aber habe ihn – und letztendlich auch Roth und Hauff – überzeugt.
Johannes Heisig wurde 1953 in Frankfurts Partnerstadt Leipzig geboren. Heute lebt und arbeitet er in einem kleinen Dorf namens Teetz, im Landkreis Ostprignitz-Ruppin in Brandenburg. Heisig stammt aus einer echten Künstlerfamilie. Sein Großvater, sein Vater, sein Bruder, sie alle waren ebenfalls Maler und Grafiker. Er hat schon zahlreiche Personen des öffentlichen Lebens porträtiert: den ehemaligen Bundespräsidenten Johannes Rau, Ex-Bundeskanzler Willy Brandt, Ex-Bundesfinanzminister Peer Steinbrück, den einstigen Bundestagpräsidenten Wolfgang Thierse sowie den Frankfurter Unternehmer Claus Wisser mit seiner Frau und Schriftstellerin Eva Demski.
„Johannes Heisig fiel mir als besonderer Maler auf“, erzählt Andreas von Schoeler, Frankfurter Oberbürgermeister von 1991 bis 1995, im Rückblick. „Er hat viele Menschen porträtiert, die ich aus meiner politischen Laufbahn kenne. Deshalb kann ich sagen: Er fängt in seinen Bildern das Wesen der Personen ein, die er malt. Das gefällt mir.“ Finanziert wurden die drei Ölgemälde aus dem Budget des Kulturamts der Stadt Frankfurt.
Drei Besuche in Brandenburg
In den vergangenen drei Jahren waren die ehemaligen Stadtoberhäupter jeweils drei Mal, mehrere Tage lang in Heisigs Atelier in Brandenburg (von Schoeler: „Alles Städtische ist dort weit, weit weg.“), verbrachten Stunde um Stunde sitzend oder stehend, während der Künstler Pinselstrich um Pinselstrich sein Werk bearbeitete.
„Es ist schon ein merkwürdiges Gefühl, wenn man immer nur die Rückseite der Leinwand sieht und nicht, was darauf entsteht“, sagt von Schoeler über seine Zeit als Modell. Langeweile sei trotz der langen Vormittage und Nachmittage in dem Atelier bei ihm aber nie aufgekommen. „Wir haben stundenlang geredet, über Musik, über Politik, über alles Mögliche“, sagt von Schoeler. „Johannes Heisig ist ein hochinteressanter und sympathischer Mensch.“
Das sieht Petra Roth ähnlich. „Ich habe die Zeit in dem Atelier sehr genossen“, sagt sie. Das stundenlange Sitzen sei aber auch harte Arbeit gewesen, für den Künstler und das Modell gleichermaßen. Nichtsdestotrotz habe sie viele tiefsinnige, großartige Gespräche mit Heisig geführt – über ihre Kindheit, über Norddeutschland. „Wir können sehr stolz sein, dass wir einen so berühmten und erfolgreichen Künstler für uns gewinnen konnten.“
Auch Hauff denkt gerne an die Begegnungen mit dem Künstler zurück. „An mehreren Tagen saßen wir uns stundenlang in seinem Atelier gegenüber. Er voll konzentriert auf sein Werk; und zugleich offen für das Gespräch über Gott und die Welt“, erzählt Hauff. Sogar einem Essay über den Mystiker Jakob Böhme lauschten sie, gemeinsam, fast nebenher. Ein Zitat von Böhme hätte sie lange und intensiv beschäftigt: „So kein Böses wäre, würde das Gute nicht erkannt“. „Dieses Zitat ist für mich untrennbar mit der Erinnerung an diese für mich so fruchtbare Begegnung mit Johannes Heisig verknüpft“, sagt Hauff. Die Malerei von Heisig bezeichnet er als „kraftvoll, manchmal aufwühlend, nie gefällig“.
Bis sich die Besucherinnen und Besucher der Wandelhalle des Römers von dieser Wirkung selbst überzeugen können, wird es allerdings noch dauern. Denn zunächst einmal werden die Porträts im Historischen Museum eingelagert, bis sie eines Tages die Ahnengalerie der Frankfurter Oberbürgermeister im Rathaus vervollständigen.
Text: Julia Lorenz
Foto Johannes Heisig in seinem Atelier im brandenburgischen Teetz, Copyright: Barbara H. Klemm