„Porträts sind die Königsdizisplin in der Malerei“

Veröffentlicht: Neuigkeiten Ort: Frankfurt

Im Interview spricht der Künstler Johannes Heisig über die Entstehung von drei Ölgemälden für die Wandelhalle im Römer

ffm. Der in Frankfurts Partnerstadt geboren Künstler Johannes Heisig hat bereits zahlreiche Porträts von Politikern und anderen Persönlichkeiten gemalt: Willy Brandt, Johannes Rau, Peer Steinbrück, Wolfgang Thierse, Claus Wisser und Eva Demski. Jetzt hat er auch die Porträts von den drei ehemaligen Frankfurter Stadtoberhäuptern Petra Roth, Andreas von Schoeler und Volker Hauff angefertigt, die später einmal in der Wandelhalle des Römers hängen werden. Im Interview sprach Julia Lorenz mit dem Maler und Grafiker über seine Arbeit.

Herr Heisig, Sie haben schon öfter bekannte Politiker und andere Persönlichkeiten gemalt. Wie nähern Sie sich denn einer Person, die Sie porträtieren, an?

Johannes Heisig: Zunächst einmal versuche ich, wenn es sich um namenhafte Persönlichkeiten handelt, im Internet zu recherchieren, und gucke, was es da über diejenige oder denjenigen zu lesen gibt. Dann habe ich vor dem ersten Treffen schon eine gewisse Vorstellung. Allerdings merke ich fast jedes Mal, dass der Mensch, dem ich dann begegne, ganz anders ist. Das Spannende ist doch, dass die für das Modell merkwürdige Arbeit, das stundenlange Stillsitzen, Dinge vermittelt, die viel individueller sind als das, was in Wikipedia steht. Ich schaue genau hin, sehe, welche Körperhaltung sich über die Zeit manifestiert, wie sich die Erscheinung an den Oberflächen, beispielsweise im Faltenwurf, zu verändern beginnt. Den sozialen und politischen Hintergrund und die damit einhergehenden Wertungen vergesse ich dann total oder ich versuche ihn mindestens wegzudrängen.

Was meinen Sie denn mit Oberflächen?

Heisig: Das Geheimnis beim Porträtieren liegt nicht, wie immer gedacht wird, in den Tiefen der Psyche, die der Maler ausgräbt, sondern an den Oberflächen, die er studiert. Das fängt beim Farbklang an, den etwa die Kleidung anbietet. Und die hängt wiederum davon ab, wie sich jemand präsentieren will. Ich werde vorher meist gefragt, was die Personen anziehen sollen. Ich antworte dann immer, worin sie sich selber am wohlsten in der Situation fühlen, also wie sie sich selbst sehen. Das ist dann für mich eine erste Information durch die Oberflächen.

Wie stark darf oder soll sich Ihre eigene künstlerische Handschrift in einem solchen Porträt zeigen? Und wo sind die Grenzen?

Heisig: Da sprechen Sie einen sehr komplizierten Punkt an. Die Kunst des 20. Jahrhunderts dreht sich sehr um den Freiheitsbegriff, um individuelle Freiheit, Freiheit der Stimmen. Das ist auch ein Grund dafür, warum die Porträtmalerei so in den Hintergrund getreten ist. Denn in der Porträtmalerei ist man nicht so vordergründig frei, wie wenn man etwa Gegenstandsloses malt. Man muss die Porträtierte oder den Porträtierten schließlich auch wiedererkennen können.

Volker Hauff, Andreas von Schoeler und Petra Roth waren jeweils mehrfach bei Ihnen im Atelier in Brandenburg zu Besuch. Gab es etwas in diesen Begegnungen, das Sie besonders inspiriert oder überrascht hat?

Heisig: Das ist schwer zu sagen. Alle drei waren mehrmals bei mir und immer für mehrere Tage. Da lernt man sich schon kennen. Das ist aber auch für mich ein großer Reiz dieser Arbeit. Ich bekomme Einblicke in Welten und Biografien, die ich so normalerweise nicht habe. Das ist schon sehr spannend. Mit Herrn Hauff ist sogar eine Freundschaft entstanden.

Gab es eine besondere Herausforderung bei einem der drei Porträts?

Heisig: Porträts zu malen, ist für mich immer eine große Herausforderung. Ich sehe darin gewissermaßen die Königsdisziplin in der Malerei. Es sind zahlreiche Variable gleichzeitig zu bedenken. Deshalb passiert es mir auch immer wieder mal, dass ich mitten im Arbeiten merke, auf einem Irrweg zu sein und neu ansetzen zu müssen. So erging es mir auch mit dem Porträt von Andreas von Schoeler.

Warum?

Heisig: Der Standard ist eigentlich die sitzende Pose. Das hat auch etwas mit Mitgefühl zu tun, denn ich weiß um die physischen Belastungen beim Modellstehen. Aber mir war schnell klar, dass dies in seinem Falle nicht funktioniert. Ich war unzufrieden, wollte dem Porträt eine größere Aktivität mitgeben und habe ihn dann doch stehend gemalt.

Was bedeutet es denn für Sie, dass gleich drei Porträts von Ihnen, die drei Persönlichkeiten zeigen, die Frankfurt lange Zeit geprägt haben, künftig im Rathaus hängen werden?

Heisig: Das war auch für mich zunächst ungewöhnlich. Ursprünglich rechnete ich damit, dass drei Porträts auch an drei Künstlerinnen und Künstler vergeben werden. Als ich erfuhr, dass sich alle drei Kandidaten für mich entschieden hätten, stand ich ganz einfach vor der Frage, ob ich das ablehnen oder machen sollte. Ich konnte keinen stichhaltigen Grund meinerseits für ein Zurückweisen des Auftrags, drei Porträts hintereinander zu malen, finden. Allein die wirtschaftliche Fragilität der Position des freien Künstlers ließe so etwas auch absurd erscheinen. Also kam ich zu dem Schluss, dass es beim Auftraggeber liege, sich solchen Fragen zu stellen – und habe akzeptiert. Dass ich es mit drei um die Stadt sehr Verdienten zu tun bekam, war ein Bonus, der mich freut.

Ein offizielles Oberbürgermeisterporträt ist nicht nur Kunst, sondern auch Geschichtsschreibung. Was würden Sie sich wünschen, wie künftige Generationen die Personen auf den von Ihnen angefertigten Gemälden wahrnehmen?

Heisig: Ich freue mich über jegliches Feedback. Für mich ist öffentliches Desinteresse das Schlimmste, wenn ich also sehr viel Arbeit in ein Angebot investiert habe und die Leute einfach daran vorbeigehen. Von daher fühle mich belohnt, wenn jemand stehen bleibt und zwei Minuten darauf verwendet, hinzugucken. Die Bilder bis zum Ableben der Porträtierten zu verbunkern, drückt, wie ich finde, Desinteresse am Diskurs darüber aus.

Was reizt Sie an der Porträtmalerei gerade heute, in einer Zeit, in der fast jeder jederzeit fotografiert werden kann?

Heisig: Diese sehr intensive Art des Dialogs. Für mich ist es eine grandiose Möglichkeit, Menschen und Sphären kennenzulernen, die ich ansonsten nicht kennenlernen würde. Und das betrifft nicht nur prominente Persönlichkeiten.

Interview: Julia Lorenz

Foto Der Künstler Johannes Heisig in seinem Atelier, Copyright: Barbara H. Klemm